DE | EN

Markus Prachensky

Wolfgang Fleischer, 2002

California revisited oder Die Hochzeit Arnolfini oder Hommage Jan van Eyck (Wolfgang Fleischer, 2002)

Was macht eigentlich ein Bild (so) spannend?
Nämlich nicht nur in der relativ kurzen Zeitspanne, die einem während einer Ausstellung zur Verfügung steht, sondern auch später immer wieder.

Die Hochzeit Arnolfini, Jan van Eyck

Was macht eigentlich ein Bild (so) spannend?
Nämlich nicht nur in der relativ kurzen Zeitspanne, die einem während einer Ausstellung zur Verfügung steht, sondern auch später immer wieder. Eventuell auf einer Reproduktion, die man gelegentlich in einem Buch aufschlägt, vielleicht nur auf einer Ansichtskarte, wie man sie im Museum zu kaufen bekommt oder – wenn das möglich ist – gar im eigenen Wohnzimmer, wo das Bild an der Wand hängt und nie und nimmer den Verdacht aufkommen läßt, es könne einem durch die schlichte Gewöhnung daran langsam in die Unsichtbarkeit entweichen, wie das Schuhkastl im Vorzimmer.
Es betrifft einen eben: irgendwie und immer wieder; wie eine Sonate oder ein Gedicht. Manches davon begleitet uns durchs Leben. Dergleichen schaut für jeden ein bißchen oder ganz erheblich anders aus; und sorgt in mancher großen Liebe für Verstörung – wenn die Betroffenheiten zu weit von einander entfernt liegen.

Das bringt Kunst an den gefährlichen Rand der Frage nach der psychologischen Kompatibilität; als wäre von dort irgendeine Aussage über die Qualität eines Werkes zu gewinnen. Der eher selbstverständliche subjektive Anteil der Betroffenheit leistet dabei im allgemeinen am wenigsten.

Aber ich lasse die gestellte Frage – vorläufig – unbeantwortet.
Bilder Prachenskys aus mehreren Jahrzehnten hängen, während ich dies schreibe, rund um mich und verblassen in meiner Wahrnehmung kein bißchen (verflüchtigt hat sich erst recht noch keines). Es ist, als geschähen sie immer jetzt.
Zumindest ein so spannendes Bild begleitet auch Markus Prachensky durchs Leben – es ist Jan van Eycks „Die Hochzeit Arnolfini“ (auch „Verlöbnis der Arnolfini“ etc.).

Ab seiner Zeit an der Wiener Akademie hatte er in absolut jedem Atelier – anfangs oft nur Räumen, die ihm kurzfristig von Freunden zur Verfügung gestellt wurden – zumindest eine Ansichtskarte dieses Bildes an der Wand festgeheftet. Und als er im Sommer 1970 von Los Angeles, wo er über drei Jahre gelebt hatte, und einem anschließenden Besuch in Mexiko (der zu Jalisco führte) nach Europa zurückkehrte, blieb er zunächst einen Monat in London, wo er nahezu täglich in die National Gallery ging, um van Eycks Bild zu betrachten – manchmal sogar mehrere Stunden lang.
Das muß pures Entzücken gewesen sein; Prachensky neigte nie zu theoretisierendem Grübeln.

In den letzten Jahren zuvor – in Kalifornien – war für ihn Entscheidendes geschehen: er hatte aus seiner ursprünglich gegenstandslosen Malerei einen Anker in Naturbezüge geworfen, der ihn einerseits festigte, andererseits auch vor ziemlich neue Probleme stellte.

„In seinem Bestreben, die Natur so wiederzugeben, wie sie sich dem Auge darbietet“, schreibt Ernst Gombrich, „sah man nun alles, den Teppich und die Holzpantoffeln, den Rosenkranz an der Wand und die kleine Bürste, die am Bettgestell hängt, das Obst am Fensterbrett und die Butzenscheiben im Fenster […] Van Eyck scheint so darauf erpicht gewesen zu sein, jede winzige Einzelheit nachzubilden, daß man geradezu meint, man könne die Haare in den Mähnen der Pferde oder im Pelzbesatz der Kostüme zählen.“ Gleichzeitig erscheint es ihm selber „kleinlich […], einen großen Künstler um der Geduld willen zu loben, mit der er die Natur betrachtet und nachgebildet hat.“
Aber was, um Himmels willen, hat dies mit Markus Prachensky zu tun?

Karl Popper unterscheidet – vor allem in der Musik – zwischen einer „objektiven“ und einer „subjektiven“ Kunst; letztere bezeichnet er, obwohl er sich sonst nicht auf Malerei bezieht, ausdrücklich als „expressionistisch“. Man könnte etwa Munch als Beispiel dafür wählen und diesem dann, als „objektive“ Kunst, Mondrian gegenüberstellen.

Popper sieht als sein geeignetes Beispiel J.S. Bach. Das Können eines Künstlers, sein Denken und seine Emotionen, überhaupt alles, was diese bestimmte Persönlichkeit ausmacht, sind nicht zum Selbstausdruck da – dieser sei „trivial“, da selbstverständlich (wie der Gang eines Löwen nicht anders sein könne, meint er) – , sondern dienen zur Gänze der Bewältigung des Werks. Oder: der Künstler stellt sich mit allem, was ihn ausmacht, völlig in den Dienst seines Werks. Und wenn er dabei originell wird, dann nur, weil es sich nicht vermeiden ließ. Mondrian – an ihm sowie ausschließlich malerischen Problemstellungen orientierten sich Prachenskys frühe Arbeiten an der Akademie.

Dann aber, um sich aus diesen starren Formen zu lösen, mußte er sich „freizeichnen“. Die Schulter, das Ellbogen- und Handgelenk bestimmten bald, wie sich der Pinsel auf der Leinwand zu bewegen hatte. Das war eine so natürliche Problemlösung, daß sein „typischer Stil“ in eigentlich unglaublich kurzer Zeit entstand.

Es schien eine Malerei der ganz persönlichen Gestik zu sein; damals obendrein provozierend. Und offensichtlich bezog sie sich, Bild um Bild, auf nichts als ihn selbst. Daß etwas später – in Berlin und Solitude – der Ausdruck krisenhafter Stimmungen hinzutrat, hat er selbst bezeugt; aber wirklich „sichtbar“ ist es nicht geworden. Und das ist gewiß ein interessanter Punkt – vielleicht handelte es sich doch nicht so sehr um persönlichen Ausdruck.
Also: vielleicht ging es gar nicht um den herausfordernden Triumph der eigenen Gestik in Rot, wie es manchen Zeitgenossen erscheinen mochte?

Dann sollte man die Bilder jener Zeit, etwa von Liechtenstein (1956) an bis Mitte der Sechzigerjahre, nicht isoliert in der damaligen Epoche betrachten, sondern eher im Zusammenhang mit dem gesamten bisher vorliegenden Werk.
Was auf all diesen frühen Bildern gleichermaßen wichtig ist, gilt auch für die neuesten der Serie California revisited und alle andern dazwischen: es ist der sichtbare Zeitablauf. Seinetwegen habe ich gesagt, Prachenskys Bilder geschähen immer jetzt.

Man hat die gesamte Dynamik ständig vor sich – und nicht eine (beliebige oder ausgewählte) Momentaufnahme. Wie eins zum andern oder darüber kam – manchmal fast gewalttätig wirkend, mit Platsch und Spritzern – , ist nie korrigiert oder gar überdeckt worden, der Bewegungsablauf bleibt nachvollziehbar und die Reihenfolge sichtbar: als abgebildete Zeit.
Prachensky, den übrigens der Raum gar nicht interessiert, hat sich auf den zwei Dimensionen des Malgrunds fast von Anfang an erstaunlich intensiv mit der vierten Dimension der Zeit auseinandergesetzt.

Dazu mag vielleicht auch interessant sein, daß der Maler in denselben Jahren, in denen der vorhin „typisch“ genannte Stil entstand, gar nicht so gänzlich davon überzeugt war, ausschließlich ein solcher zu bleiben. Er konnte sich auch vorstellen, einen oder mehrere Filme zu machen, so sehr war er damals von diesem Medium fasziniert.
Diese Absicht verging vielleicht nicht aus purer Kurzlebigkeit, sondern weil sie, völlig anders gestaltet, in der Gesamtheit seines Werks umgesetzt werden konnte.

Was sucht dann so jemand in der Landschaft – wenn er sich noch dazu um die räumliche Dimension ohnehin nicht kümmern will?
Und warum fährt er, nach fast genau dreißig Jahren Abwesenheit, nochmals von Wien bis nach Los Angeles, von dort weiter nach Palm Springs und schließlich in die Indian Canyons? Sicher nicht, um die roten, von der Erosion rund geschliffenen Felsen – schon seinerzeit der erste erfolgreiche Naturbezug in seiner Malerei – nach neuen Details abzusuchen, bei deren Wiedergabe man van Eyck’sche Geduld üben könnte.

Ich neige heute zur Ansicht, daß Prachensky in allen Landschaften, mit denen er sich gründlich auseinandersetzte, vor allem – Verwandtschaftliches suchte. Nämlich Strukturen, die den längst vertrauten Bewegungen aus Schulter, Ellbogen- und Handgelenk weitgehend oder zumindest teilweise entsprachen, zugleich aber auch neue Anforderungen stellten. Und das so anregend wie möglich – also: spannend.

Der Erfahrung vor Ort geht es nie um die gesamte sichtbare Wirklichkeit (oder gar deren Wiedergabe), sondern um das Aufspüren aller nur möglichen Beziehungen zwischen ihm und der Landschaft. Ihr Rhythmus muß zu seinem passen, seine Begeisterung soll die Verwandtschaftlichkeit vertiefen.

Was sich, bei einer ersten Begegnung mit einer Landschaft (auch einem Tempel oder Kokospalmen), wohl erst vage formt, hat nun – was bei den frühen Bildern nie der Fall war – von Anfang an eine Bedeutung. Und diese wächst ständig weiter. Damit sie das kann, damit sich unter Umständen mehrere verschiedene Eindrücke einer Landschaft überlagern können oder mit jenen von Bauwerken verbinden, müssen die (vorgefundenen) komplexen Formen reduziert werden. Das heißt, daß die immer einfacher oder kompakter werdende Form gewissermaßen aufgeladen wird, an innerer Spannung und Überzeugungskraft zunimmt.

Dieser Prozeß kann lange dauern; ein wesentlicher Teil davon ist das, was Prachensky seine „Kritzelversuche“ nennt. Das Wort weist darauf hin, daß diese Zeichnungen nicht für den Kunsthandel bestimmt sind, sondern nur der Formsuche dienen. Es hat sie auch kaum wer je zu Gesicht bekommen. Was sich bei dieser Arbeit ebenfalls schon herausstellen kann, sind die Formate der zukünftigen Bilder. Parallel dazu entwickeln sich auch seine Vorstellungen von den Farben, die er dann verwenden wird; auch dabei kommt es (oft) zu Bedeutungsüberlagerungen. Eher zwei als ein Rot – das versteht sich fast von selber; und so ist es auch bei California revisited. Ob er allerdings das Rot wegen der Felsen wählt oder eher diese wegen ihrer rötlichen Färbung, ist eine Frage, die vielleicht kaum zu beantworten ist. Ich neige zu beiden Deutungen gleichzeitig, einfach weil Rot immer vorhanden sein muß.

Aber es ist nicht mehr das Rot der frühen Bilder, das für sich die alleinige Aufmerksamkeit forderte. Es ist längst vergesellschaftet und damit von immer anderer Wertigkeit. Hinzugekommen ist außerdem etwas, das man – erheblich untertreibend – den roten Faden nennen könnte, der alle Bilder aus Jahrzehnten miteinander verbindet. Also eher schon ein recht kräftiges Seil; oder eine rote Bahn durch die Zeit. Vielleicht ist es eine Überinterpretation, aber ich meine: jedes Rot erinnert ihn an jedes Rot, das er je verwendet hat. Und damit erinnert es ihn zugleich an andersfarbige Umfelder, die es verändert haben, sowie an alle verschiedenen Untergründe, auf denen es jeweils anders zur Geltung kam. Diese Assoziation aller Erfahrungen führt sicher nicht nur zum Begriff einer daraus resultierenden technischen Virtuosität; was so entstanden sein muß, kann man eigentlich nur als eine – von außen kaum verständliche – besonders tief gehende Intimität bezeichnen.

Natürlich nicht nur Intimität in Rot oder mit Rot. Durch Prachenskys über alle Epochen verwandt bleibende Zeichen- und Formensprache dehnt sich auch hier eine verbindende Intimität übers ganze Werk aus. Und durch die langsame, konzentrierte und manchmal fast meditative Vorbereitung jeder neuen Serie wird auch diese ins – zumindest assoziativ vorhandene – Gesamte einbezogen. Und selbstverständlich mit Rot. Und vielleicht kommt es doch von den Felsen: weil nur der stets neu auferlegte Naturbezug zu so viel Regeneration und Frische führt, daß Rot sich in immer wieder anderen Zusammenhängen bewähren kann. Es sind zwei: die beiden Rot sind jene Farben, die in allen Bildern von California revisited auftreten. Dazu kommt jeweils eine dritte – in drei Variationen. Das Violett stammt seit den frühen Italien-Bildern (etwa Monte S. Angelo) aus den tiefen Schatten, die in der Landschaft oft markante Formen annehmen. Aber da Prachensky es nun schon länger nicht verwendet hat, tritt auch die Erinnerung an jene zurückliegenden Serien hinzu.
Wie modifizierend das wirken kann, sieht man recht gut auf den Blättern. Diese gehen stets den Bildern voraus, nur ist es jetzt nicht – wie bisher immer – Farbtusche auf weißem Untergrund, sondern Acryl auf rußgeschwärztem Bütten. Und da wird ein Violett plötzlich durch ein anderes ersetzt – als hätte sich während der Arbeit Prachenskys Beziehung dazu verändert; und so muß es wohl auch gewesen sein.

Das Blau, obwohl überwältigend auf dem Himmel vorhanden, kommt dieses Mal zur Gänze aus der Vergangenheit. Er hat es vor mehr als dreißig Jahren in den damaligen California paintings verwendet, nämlich auf den sogenannten card-boards, Malereien auf Karton. Dazu kamen damals auch noch kleine Bildchen auf blauem Grund.
Das Grün schließlich hat mit Palmen zu tun, wie Markus und Brigitte Prachensky sie in den Indian Canyons vor rund anderthalb Jahren gesehen haben. Und grün ist auch – noch dazu vor weitgehend rotem Hintergrund – das Kleid der Braut Arnolfinis.

An diesem doch eher überraschenden Punkt möchte ich zur vorhin erwähnten Kohärenz zurückkehren und – im Gegensatz dazu? – die Frage nach der Weiterentwicklung in der Malerei stellen; ob es so etwas wie einen „Fortschritt“ gebe?
Dieser, als ein allgemeiner, müßte objektiv feststellbar sein – und ist es auch tatsächlich, wie etwa in der Entdeckung der Perspektive oder der Erfindung der Ölfarben (die übrigens Jan van Eyck zugeschrieben wird). Beides hat Entwicklungen ausgelöst, die vorher nicht möglich waren. Diese selbst jedoch ändern überhaupt gar nichts an der Qualität der Höhlenmalerei von Altamira oder an altägyptischer Darstellungskunst. Eine neue Theorie in der Physik widerlegt zumeist und erfolgreich etliche ältere; ein besserer Motor macht die schlechteren von vorher ziemlich überflüssig.

Aber das Schloß von Versailles widerlegt nicht die Akropolis; und Picasso macht Jan van Eyck nicht geradezu überflüssig. Insgesamt haben wir einfach immer mehr Kunstwerke, einen zunehmenden Reichtum an Aspekten, wie auf die Welt – oder das In-der-Welt-sein – künstlerisch reagiert wurde.

Wo bleibt da der objektiv festgestellte „Fortschritt“? Recht einfach: er bezog sich auf die mittels Malerei hergestellte Illusion, auf die Darstellung von etwas anderem – also auf das Abbild und nicht auf das Bild. Dieses wird von den Qualitätskriterien der Illusionsherstellung – die immerhin einen Großteil der abendländischen Kunstgeschichte auszumachen scheint – gar nicht berührt (sonst hätten wir auch verdammt zu viel Kitsch am Hals). Übrigens war die Akropolis in diesem Beispiel eine Mogelei: sie bildet eben im vornherein nichts ab, zeigt damit aber ziemlich schwergewichtig, daß es auch so geht.

Auch beim Werk eines speziellen Malers macht es keinen Sinn zu sagen, das Spätwerk widerlege das frühe; oder mache es obsolet; oder gar umgekehrt. (Natürlich ist jeder einzelne Betrachter oder Sammler zu völlig subjektiven Bevorzugungen berechtigt und braucht vielleicht auch einen ganz persönlichen und liebevollen Bezug zu einem Werk; aber Verallgemeinerungen daraus sollten doch eher unterbleiben.) Welche Feststellungen sich dennoch treffen lassen, zumindest mehr oder minder objektiv, versuche ich an Hand Prachenskys darzustellen.

Wegen des sichtbaren Zeitablaufs alles Geschehens auf der Leinwand, wovon schon die Rede war, und der ebenso deutlichen hohen Geschwindigkeit mancher Pinselstriche war dieses Werk ab Beginn von der Frage begleitet, welche Rolle der Zufall darin spielen könne.

Um das Thema nicht an Hand von Details aus 45 Jahren – wie in einem Indizienprozeß – allzu systematisch abhandeln zu müssen, gehe ich von dem doch recht eindeutigen Gestaltungswillen des Malers aus. Abgesehen von den stets sehr prägnanten Formgebungen kommt dieser auch darin zum Ausdruck, daß das Spritzen der Farbe schon sehr früh nicht nur als mehr oder weniger unvermeidbares Zeichen eines schnellen Ablaufs eingesetzt wurde, sondern vor allem gestaltend. Und dazu mußte er wissen, wieviel Farbe (einer ganz bestimmten Konsistenz) im Pinsel war, um mit dem richtigen Zucken aus dem Handgelenk die Flüssigkeit so zu werfen, daß die auftreffenden Tropfen die gewollte Gestalt bildeten.
An der Grenze zum bewußt riskierten Zufall (der auch zur nachträglichen Zerstörung nicht weniger Leinwände führte) war das dennoch eine um Exaktheit bemühte Malerei.

Ein anderes Beispiel wäre die gelegentliche farbliche Opulenz Prachenskys, etwa – aber eher unpräzise – von S. Angelo Duke über Etruria bis Umbria: sehr flüssige Farben, die immer wieder auch dicht nebeneinander gesetzt wurden. Stets ein kalkuliertes Risiko: natürlich hatte er jede Menge an Erfahrung, wie diese Farben an ihren Grenzen ineinander verfließen würden; dennoch blieb der Zufall im Spiel, bis das Bild getrocknet war. (Manchmal saß er stundenlang daneben und schob kleine Keile unter den Rahmen, um die Flußrichtung zu beeinflussen.) Er war zwar von einer völlig klaren Bildvorstellung ausgegangen, sie konnte aber durch sein Risiko reizvollst bereichert – oder auch zerstört werden.

California revisited: Die Vorbereitungen sind immer gründlicher geworden. Durch die Bedeutungsüberlagerungen bei Form und Farbe wurde das mögliche Maximum an Überzeugungskraft hergestellt (mit ständigem Miles Davis als Meditationsebene); nun wird im Geist bereits alles geübt: etwa die Reihenfolge der Farben im zeitlichen Ablauf – es ist immer die dritte und wahlweise eingesetzte Farbe, mit der begonnen wird. Erst die beiden dann hinzukommenden Rot „definieren“ sie (würde ich sagen) endgültig.

Zur Vorbereitung gehört auch die Pinselführung. Das ist, neben allen Bewegungs- und Schleuderformen, auch der nachlassende oder verstärkte Druck, also die Menge der herausfließenden Farbe, die den schwarzen Untergrund entweder völlig überdeckt oder nur darüberlasiert und äußerst seltsame Zwischentöne über dem nun in jedem Sinn hintergründigen Schwarz erzeugt.(Meine Frau nennt sie mystisch.) Das alles ist ohne die Erfahrung der erwähnten fünfundvierzig Jahre kaum denkbar; nämlich: weder zu planen noch gar erst dann durchzuführen.

Und noch etwas gehört dazu: daß mit diesem so verfeinerten Voraussehen der Wirkungen auch die Risikobereitschaft erhöht wurde – um der ganzen Spannung vollends Genüge zu tun. Die vorhandenen Bilder von California revisited – das sage ich so, weil auch hier Leinwände zerstört werden mußten – weisen die höchstmögliche Kontrolle auf; sie sind das Ergebnis des zwar riskierten, aber besiegten Zufalls; nämlich die präzise Umsetzung der Absicht.

Ist das vielleicht der Punkt, wo – abgesehen von Grün – Jan van Eyck endlich ins Spiel kommt? Ich meine: fast. Natürlich ging es Prachensky nie um die Anzahl der Härchen des Hündchens zu Füßen der Braut Arnolfinis, sondern um die unerhörte Klarheit der Konturen und die gleichzeitige Weichheit ihrer Ausführung. Diese Vorstellung von Präzision und einer dann doch jede Härte vermeidenden Bildsprache hat ihn sein Lebtag lang begleitet.

Und in recht deutlichem Gegensatz zu Gombrich hat er nie das Abbild, sondern immer nur das Bild gesehen.
Das zeigt unter anderem auch, wie diese scheinbar „subjektiv“ – nämlich aus der Erkundung der eigenen Bewegungen – entstandene Malerei im Grunde ausschließlich „objektiv“ gemeint war: dem Werk zu dienen.
In einer radikalen Reduktion könnte man sagen, daß es in der gesamten Malerei – bezogen aufs Tafelbild – nur Farben und/oder krumme sowie (häufig etwas weniger) gerade Linien gibt. Und wie man damit umgeht, ist überhaupt alles – und nicht eine Braut oder ihr Hündchen.

Natürlich ist für ein Ausstellungspublikum und jeden andern Betrachter genau aus diesen Gründen die Hommage Jan van Eyck ebenso belanglos wie irgendwelche roten abgeschliffenen Felsen in Kalifornien (deren Faltenwurf vielleicht einem mittelalterlichen Kleid ähnelt). Denn wenn sich jemandem von der Leinwand her die ganze Spannung vermittelt, die dieses konkrete Werk erst ermöglicht hat – dann braucht er von all dem gar nichts zu wissen. Und den andern nützt das ohnehin nichts.
Mit anderen Worten: mein Aufsatz ist für die Katz´. Aber die Bilder sind da.