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Leuchtende Anverwandlung

Peter Iden, 2011

Peter Iden zu den Bildern von Markus Prachenskys „Omaggio a Paolo Uccello“.

La Battaglia di San Romano – Paris, 2010

Wir sehen die späten, von Paolo Uccellos „Battaglia di S. Romano“ angeregten Bilder Markus Prachenskys – und mit ihnen, in ihnen, kommt uns vor Augen und bemerken wir, was ihn als Künstler zeitlebens geleitet, getrieben, bestimmt hat: Die Lust des Malers, der er ganz und gar war, mit jeder Faser und in jedem Augenblick seiner Existenz, diese Lust am leidenschaftlichsten Zugriff auf die Welt, den unwiderstehlichen Trieb, an der Erprobung aller seiner Energien in der Auseinandersetzung mit der Farbe wieder und wieder – dem Rot vor allem, das ihm als „die Farbe seines Lebens“ galt – Auseinandersetzung mit der Farbe, die er im Akt des Malens sich entfalten ließ zu einer eigenen Freiheit, sie aber dabei zugleich doch auch kontrollierend.

Es war das, die heftige Geste des Farbauftrags in Übereinstimmung zu bringen mit formaler Fügung, die Herausforderung, der Prachensky sich stellte. Die dramatischen Spannungswerte seiner Malerei rühren von daher.

Der Maler hat sich, bis zuletzt, als er schon mit körperlicher Beeinträchtigung zu kämpfen hatte, auf vielen Reisen zu Bilderserien inspirieren lassen – von den italienischen Landschaften Etruriens, Umbriens, Sardiniens und der Cinque Terre ebenso wie von der Erfahrung Kaliforniens und der Musik Balis. Die Bilder waren nicht direkte Wiedergaben, Abbildungen des Gesehenen und Erlebten – vielmehr suchte Prachensky in ihnen ermittelnd festzuhalten, was ihm an der sichtbaren Welt von deren formalen Strukturen sich eingeprägt hatte und ihm wesentlich schien. Das heißt: In seiner Kunst wurde durch seine Wahrnehmung die Wirklichkeit der Aussenwelt zu einer Realität von ganz anderer Art. Deren Wahrheit gründete in dem Anspruch, das Kunstwerk, jedes Bild, behaupte für sich eine eigene, autonome Wirklichkeit.

Dieser Anspruch auf Eigenständigkeit ist der kühnste Gedanke, den sich die Malerei seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, seit Turner und Monet und Cézanne, später Kandinsky, Mondrian und Malewitsch, zugemutet hat. Es ist die Idee der Transformation – was ich sehe, ist das eine; aber es bringt mich darauf, dass jenseits aller gewohnten Umgebungen ganz andere Welten ebenso real sind. So wurde das Erlebnis fremder Landschaften für Markus Impuls, darauf mit den anderen Landschaften seiner Bilder zu antworten.

Aber in der letzten Phase seines Werks hat sich dann etwas Besonderes ereignet: Er nahm den Antrieb zu jener Transformation auf aus Vorgaben, die selber schon Verwandlung einer Wirklichkeit in eine andere sind. Paolo Uccellos Darstellungen der „Battaglia di S. Romano“, in den drei Versionen, die davon in den Uffizien in Florenz, im Louvre und in der Londoner National Gallery bewahrt sind, regten ihn an, darauf derart einzugehen und zu antworten wie zuvor auf, sagen wir zum Beispiel die zerklüfteten Steinküsten der Cinque Terre.

In seinem einlässlichen Text für diesen Katalog, hat der Kunsthistoriker Karl Schütz die Genese, den geschichtlichen Bezug und die Bedeutung der Schlachtenbilder Uccellos, der beim dem großen Florentiner Ghiberti gelernt hatte, geschildert. Wer diese Bilder kennt, kann nachvollziehen, welche Elemente darin Markus Prachensky so nachdrücklich fasziniert haben, dass er sie zum Anlass nahm, sie als Weltstoff seiner eigenen Malerei anzuverwandeln. Es gibt bei Uccello in der Tat eine Dynamik, eine aggressive, jähe Heftigkeit der festgehaltenen Bewegungsabläufe und der formalen Zuspitzung, wie auch eine raumbildende Wirkung der Farbwechsel – Elemente, in denen Prachensky, über fast ein halbes Jahrtausend hin, gleichsam antizipiert fand, was ihn selbst in seiner Malerei immer wieder beschäftigt und umgetrieben hat.

Wie in anderer Hinsicht in dem Flamen van Eyck entdeckte er in Uccello einen fernen und sehr nahen Bruder im Geist. Und wagte mit seinen Mitteln eine eigene Antwort. Wie die Farben dieser Repliken in den Kompositionen Prachenskys frei sind und gezügelt zugleich, wie Unordnung ausbricht unter ihnen und zugleich eine Ordnung sich behauptet, wie sie offene Räume bilden und Räume verschließen – der Vergleich mit den Entwürfen Uccellos lässt erkennen, dass sich in dessen Kompositionen sehr verwandte Konstellationen zeigen.

Erstaunlich an den Schlachtenbildern des Renaissance-Malers ist, besonders auffällig an der Londoner Version, nicht nur die helle, man könnte meinen: siegessichere Beleuchtung der Kriegszene, sondern auch der freie, lockere Stand, den Uccello den Kriegern gewährt. Leonardo wird später in seinen Skizzen zur „Anghiarischlacht“, die dunklen Körper der Kämpfer sich ineinander verschlingen und einen anderen Eindruck kriegerischer Gewalt entstehen lassen. Es war aber gerade das durch die Lichtführung und die Farbgebung bewirkte Malerische bei Uccello, das Prachensky gereizt hat, sich seinerseits mit allen Merkmalen seines eigenen Stils im Umgang mit Farbe und Licht darauf einzulassen. Das Ergebnis ist darum von einer malerischen Qualität, die, von Uccello veranlasst, doch deutlich in den Zusammenhang der Entwicklung von Prachenskys Oeurvre gehört.

Natürlich, es war die Zeit Uccellos eine andere als jetzt unsere. Dass aber Kunst immer Antwort ist auf Kunst – dieser Merksatz der Moderne findet sich auch noch über eine so weite zeitliche Strecke von Prachensky glänzend bestätigt. Am Ende bleibt nur, ihm bewundernd zu danken für ein Spätwerk, das Platz und Rang hat unter den nachdrücklichsten dieser Jahre.

(Der Text ist ein Auszug aus der Einführung des Verfassers anlässlich der Eröffnung der Ausstellung letzter Bilder von Markus Prachensky in der Galerie Ulysses, Wien, am 29.11.2011)