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Im Ausstellungskatalog über Prachensky

Sophie Cieslar, 2014

In: Ausstellungskatalog, Hollegha, Mikl, Prachensky. Abstraktion in Österreich, Galerie Kovacek & Zetter, Wien 2014.

Solitude, 1965

Markus Prachensky wird 1932 in Innsbruck geboren. Durch seinen Vater Wilhelm Nicolaus, einem Architekten und Maler, kommt er schon früh mit Kunst in Berührung. Zunächst beginnt auch er an der Wiener Akademie Architektur zu studieren, inskribiert aber gleichzeitig Malerei. Gemeinsam mit den Studienkollegen Wolfgang Hollegha, Josef Mikl und Arnulf Rainer – der allerdings nach drei Tagen die Akademie wieder verlässt, da man seine Arbeiten als „entartet“ bezeichnet – ist Markus Prachensky ab 1956 fixes Mitglied der Gruppe „St. Stephan“. Die künstlerischen Anfänge stehen, beeinflusst durch Piet Mondrian, ganz im Zeichen des Abstrakt-Geometrischen, bevor er zunächst durch freie Zeichnungen versucht, die konstruktiven Kompositionen aufzulösen. 1957 kommt er bei einem Paris-Aufenthalt mit Georges Mathieu und der Malerei des Tachismus sowie mit Pierre Soulages und Yves Klein in Berührung. 1959 veranstaltet Prachensky seine erste öffentliche Malaktion „Peinture liquide“ im Theater am Fleischmarkt 1959 in Wien. Es geht dem Künstler um die totale Freisetzung der Farbe, die über den oberen Bildrand von riesigen Leinwänden gegossen, einen Vorhang von Farbrinnsalen bildet. Hier ist Prachensky den Grundprinzipien des Tachismus oder seinem amerikanischen Pendant dem Action Painting am nächsten, der Farbauftrag entzieht sich jeglicher rationaler Kontrolle und soll so die spontanen Empfindungen und das Unbewusste des Künstlers freisetzen. Erstmals taucht auch dominierend die Farbe Rot auf, die bestimmend für das folgende Werk wird. „Rot ist die Farbe meines Lebens“¹, so beschreibt Prachensky selbst deren Bedeutung.

Markus Prachensky ist ein Vielreisender, er geht an Orte, die ihn faszinieren, deren Geschichte, Stimmung und Licht er aufsaugen möchte. Er lässt die Atmosphäre auf sich wirken, macht keinerlei Notizen oder Fotografien, vielmehr speichert er die gewonnenen Eindrücke ab, um sie später abrufen zu können. Auf Papier und Leinwand bringt er dann jene Empfindungen, die er ganz tief in sich drinnen aufspürt, die er verinnerlicht hat. Oft dient ihm noch zusätzlich Musik als Inspirationsquelle, die sich dann neben den Ortsangaben im Titel wieder findet. Bereits ab Mitte der 1950er Jahre beginnt Prachensky seine Arbeiten nach ihrem Entstehungsort zu benennen (Berlin, Wiesbaden, Aschaffenburg), wobei es sich aber lediglich um einen Hinweis auf den derzeitigen Arbeitsort handelt. Erst in den 1970er Jahren verweist der Titel auf jene Landschaften, die nach einer Reise als Inspiration dienen, und deren Eindrücke Markus Prachensky nun als Essenz in seine Arbeiten einbringt. 1967 bis 1971 lebt und arbeitet der Künstler in Kalifornien. Danach bereist er immer wieder Italien (Apulien, Umbrien, Latium, Maremma, Sardinien, Rom). Später folgen Reisen nach Südfrankreich (Provence, Calanques). Dabei faszinieren ihn besonders antike Ausgrabungen. Die Serien, nach Landschaften, Provinzen oder Orten benannt, geben Zeugnis davon, dass der jeweilige Ausgangspunkt stets eine Geologie, ein Bauwerk oder die Vegetation einer Gegend ist. Oft setzt sich Prachensky monatelang mit einem speziellen Landstrich auseinander, versucht immer wieder Zugang in seine tiefsten Geheimnisse zu erlangen, um sie dann als Substrat auf die Leinwand oder zu Papier zu bringen. Kennzeichnend für die Serien ist, dass der Künstler innerhalb einer Werkphase selben Titels einem speziellen Formenkanon treu bleibt und sich auch gewisse Farbkombinationen wiederholen.
Markus Prachenskys Malerei „changiert zwischen den Polen des tektonisch Geschlossenen und tachistisch Offenen“². Werden seine Farben ausgehend von der tachistischen Wildheit der Werkfolgen „Sebastianplatz“ und „Aschaffenburg“ 1963 in der Berlin-Serie zu transparenten, hellen Flecken, so lenkt er in „Solitude“ 1965 den Pinselstrich ins Skripturale und verleiht der Malerei eine tektonische Geschlossenheit, die er 1966 in den „Rechberg“- und 1967 bis 1969 in den „California Paintings“ zu runden organischen Formen verdichtet. In Amerika rückt seine Malerei in den späten 1960er Jahren in die Nähe des amerikanischen Colourfield Painting, deren Hauptvertreter Kenneth Noland – gemeinsam mit dem wichtigen, amerikanischen Kunstkritiker Clement Greenberg – Prachensky 1977 einen Wienbesuch abstattet und so die positive Resonanz der internationalen Fachwelt auf das Werk des Künstlers belegt. Stilistisch hat Markus Prachensky da wieder zurück zum Gestischen gefunden und bannt die ersten italienischen Impressionen wie unkontrollierbar scheinende Farbexplosionen auf die Leinwand. In weiterer Folge werden die eher architektonisch anmutenden charakteristischen Farbbalken bestimmend, die vorwiegend in Rot an ihren Enden in kleinen Farbspritzern ausufern. Nichts bleibt dem Zufall überlassen, noch so spontan Wirkendes hat einen vom Maler fix zugewiesenen Part. Markus Prachensky, der im Gegensatz zu seiner explosiven, stark gestischen Malerei als jemand, der Ruhe ausstrahlt, beschrieben wird, hat seinen unverwechselbaren Ausdruck gefunden, seinen Platz in der österreichischen und auch internationalen Kunstgeschichte gefunden.

Seine Professur an der Wiener Akademie der bildenden Künste von 1983 bis 2000 und zahlreiche Ausstellungen und Ehrungen sichern seinem Werk die Aufmerksamkeit und jenen Einfluss, den es bis heute auf die Kunstlandschaft Österreichs hat. Mit seinem charakteristischen Stil ist Markus Prachensky heute bis weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt.

Sophie Cieslar

¹ „Das Glück ein Maler zu sein“, Markus Prachensky im Gespräch mit Peter Iden, in: Markus Prachensky. Rot auf Schwarz – Rot auf Weiß. Bilder. Ausstellungskatalog, Städtische Kunstsammlungen Chemnitz, Wien – Chemnitz 2004, S. 27

² Florian Steininger, in: Otto Mauers Avantgarde. Retrospektiv – Aktuell. Hollegha – Mikl – Prachensky – Rainer. Ausstellungskatalog, Galerie Kovacek Spiegelgasse Gemälde, Wien 2006, S. 39