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Die Donau ist rot

Manfred de la Motte, Paris 2003

Das war sie nicht immer. Sie galt als blau und schön, weil sie jahrhundertelang fröhlich und stolz ein Weltreich durchströmte, um sich dann, ermattet, in ein Meer zu ergießen, das man schwarz nennt.

California Miles, 2002

Dann wurde Europa, unruhig auf einem wütenden Stier, neu eingekleidet, um ihren ramponierten Ruf aufzupolieren. Der sanfte Schleier der schönen blauen Donau zerrann.

Prachenskys mächtiger roter Pinsel griff ein, klatschte gewaltig an der Donau und in ihrem Quellgebiet herum, erzeugte Aufruhr und Beachtung, blieb misstrauisch, prüfte den mickrigen Tiber, entdeckte, dass die Spree auch kein gewaltiges Flusswerk ist.
Aber da lächelte ihm die zarte Seine zu, deren Quelle schließlich nur 250 km von den Brunnen der Donau entfernt ist. Der Rhein wurde überwunden, bekam natürlich kräftig rote Tropfen ab, jedoch die gütige Seine trug das Rot flussab und setzte ihr rotes Sediment gerecht in der Stadt auf die’s ankommt zu beiden Ufern ab. Die schreibenden Fischer Alvard, Guéguen, Restany und Tapié freuten sich über ihren erstaunlichen Fang. Und in Wien vermerkte man, dass die Donau, nun rot, plötzlich stromauf floss.

Die Seine ist ein gemächlicher Fluss, sie mäandert langsam durch flaches Land, doch ist sie zielstrebig: ihr Mündungstrichter weist westwärts, vereint sich mit den Gewässern des Kanals, und schaut sich im Atlantik nach neuen Gestaden um, wo für rote Pinselhiebe gut stranden wäre.
Der Hudson war aber schon ziemlich farbverschmiert und dreckig: also diesmal auf dem Luftweg an die Westküste, wo die roten Pinsel der spröden Wüstenlandschaft Süd-Californias Form und pikturale Ordnung beibrachten.

Jetzt konnte Markus Prachensky dem drängenden Heimweh nach der alten Donau folgen und für eine Weile zu Europa zurückkehren – sie hatte sich dafür natürlich ein rotes Jäckchen umgehängt. Ehe aber die Donau womöglich wieder blau-schwärzlich bergab rinnen konnte, da machten sich die roten Pinsel, Tuschen und Stiftewieder auf neuerliche Reisen. Lust und Schwierigkeit war ihnen gleichermaßen bekannt. Mutig gelangen mehrere Umrundungen der Welt – bilderreich.
Und heute freut man sich am „Port des Celestins“ der Seine, dass die vielgeachtete schöne Donau wieder einmal anhält – tiefrot, erfahren und prächtig.

Manfred de la Motte, Paris 2003